Josef Marschall: Projekt: Etty Hillesum- Das denkende Herz- Tagebuchaufzeichnungen

Josef Marschall: Projekt: Etty Hillesum- Das denkende Herz- Tagebuchaufzeichnungen

Kurze Zusammenfassung

Das Video ist eine Reflexion über das Leben, Leiden, den Tod und die Suche nach innerem Frieden inmitten der Grausamkeiten des Krieges. Es betont die Bedeutung des Festhaltens an der Menschlichkeit, der Liebe und des Glaubens, selbst in den dunkelsten Zeiten. Der Sprecher ringt mit der Realität des Leidens, sucht aber auch nach Schönheit und Sinn in der Welt und in sich selbst.

  • Akzeptanz des Leidens als Teil des Lebens.
  • Die Notwendigkeit, sich dem Tod zu stellen und ihn zu akzeptieren.
  • Die Bedeutung von innerer Einkehr und Meditation.
  • Der Glaube an Gott und die Menschlichkeit.
  • Die Verpflichtung, die Welt durch Liebe und Güte zu verbessern.

Einleitung

Der Sprecher möchte das Jahrhundert sowohl von außen als auch von innen kennenlernen und betrachtet es jeden Tag aufs Neue. Er ist erschüttert über das Leid, das Menschen sich gegenseitig antun, verschließt aber nicht die Augen davor. Stattdessen versucht er, die schlimmsten Verbrechen zu verstehen und den nackten, kleinen Menschen hinter den monströsen Taten zu finden. Er stellt sich der Welt und flieht nicht in schöne Träume, obwohl er glaubt, dass neben der grausamsten Realität noch Platz für solche Träume ist.

Leiden und Verarbeitung

Es geht um den Umgang mit dem Leiden, das im Leben eine wesentliche Rolle spielt. Ob es sich um einen Hitler oder einen Iwan den Schrecklichen handelt, ob es Resignation, Kriege, Erdbeben oder Hungersnot sind, entscheidend ist, wie man das Leid trägt und innerlich verarbeitet. Man muss einen Teil seiner Seele unverletzt retten. Wir tragen alles in uns, Himmel, Hölle, Leben, Tod und viele Jahrhunderte. Die äußeren Umstände wechseln, aber wir tragen alles in uns, und die Umstände sind nicht entscheidend. Es gibt immer gute oder schlechte Umstände, und man muss sich damit abfinden, was aber nicht hindert, dass man sein Leben für die Verbesserung der Umstände einsetzt. Man muss sich jedoch über seine Motive im Klaren sein und bei sich selbst anfangen, jeden Tag von neuem.

Innere Einkehr und Meditation

Der Sprecher glaubt, dass es wichtig ist, sich morgens vor der Arbeit eine halbe Stunde nach innen zu wenden, sich in das zu versenken, was in einem ist. Er bezeichnet es als Meditation, obwohl ihm das Wort noch etwas fremd ist. Es genügt nicht, nur den Körper zu bewegen, sondern auch den Geist. Eine halbe Stunde Gymnastik und eine halbe Stunde Meditation können ein solides Fundament für die Konzentration des ganzen Tages bilden. Es ist jedoch nicht einfach, diese stille Stunde zu lernen. Der ganze kleinbürgerliche Kram muss innerlich beiseite geschoben werden. Der Zweck des Meditierens sollte sein, sich innerlich zu einer großen Ebene auszuweiten, ohne all das Heimtückische, das die Sicht behindert, damit etwas von Gott in einem erwächst. Es entsteht eine Art Liebe, keine Luxusliebe, sondern eine Liebe, mit der man in der kleinen alltäglichen Praxis etwas anfangen kann.

Konfrontation mit dem Tod

Die Möglichkeit des Todes ist dem Sprecher absolut gegenwärtig. Sein Leben hat eine Erweiterung erfahren, indem er dem Tod ins Auge blickt und ihn als einen Teil des Lebens akzeptiert. Man darf nicht vorzeitig einen Teil des Lebens dem Tod zum Opfer bringen, indem man sich vor ihm fürchtet und sich gegen ihn wehrt. Das Widerstreben und die Angst lassen nur ein armselig verkümmertes Restleben übrig. Es klingt paradox, aber wenn man den Tod aus seinem Leben verdrängt, ist das Leben niemals vollständig, und indem man den Tod in sein Leben einbezieht, erweitert und bereichert man das Leben. Dies ist die erste Konfrontation des Sprechers mit dem Tod, er hat keinerlei Erfahrung mit ihm. In dieser mit Millionen Leichen übersäten Welt hat er in seinem 28. Lebensjahr noch nie einen Toten gesehen. Der Tod ist in sein Leben getreten, groß und einfach und selbstverständlich und fast geräuschlos. Er hat seinen Platz darin eingenommen, und der Sprecher weiß jetzt, dass er zum Leben dazugehört.

Schöpferische Kräfte und Lebensfreude

Der Sprecher sieht immer deutlicher, in welchen Abgründen die schöpferischen Kräfte und die Lebensfreude der Menschen versinken. Es sind Löcher, die alles verschlucken, und diese Löcher sind im eigenen Gemüt. Der Mensch leidet immer noch am schwersten unter dem Leid, das er fürchtet. Immer ist es die Materie, die allen Geist an sich zieht, statt umgekehrt. Der Mensch ist etwas Sonderbares. Der Sprecher möchte über so vieles schreiben, irgendwo tief in ihm ist eine Werkstatt, wo die Träger dieser Welt neu geschnürt werden. Es ist ausgerechnet in seinem kleinen Kopf, wo diese Welt zur Klarheit durchdacht werden muss. Er versteht nun seine schöpferischen Kräfte immer unabhängiger von materiellem Mut, von der Vorstellung von Hunger, Kälte und Gefahr zu machen. Es geht doch immer um die Vorstellung, nicht um die Realität. Die Realität ist etwas, das man auf sich nehmen muss, alle Leiden und Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Während des Tragens wächst die Kraft zum Tragen. Die Vorstellungen von Leiden jedoch muss man aufgeben. Gibt man diese Vorstellungen auf, in denen das Leben hinter Gittern gefangen sitzt, dann befreit man das wirkliche Leben und die Kräfte in seinem Inneren.

Sorgen um die Zukunft

Der Sprecher hatte eine Nacht, in der viele Bilder menschlichen Leidens an ihm vorbeizogen. Er verspricht, seine Sorgen um die Zukunft nicht als beschwerende Gewichte an dem jeweiligen Tag hängen zu lassen. Jeder Tag ist für sich selbst genug. Er will helfen und ist froh, dass er nicht verlassen wird. Er kann sich von vornherein für nichts verbergen. Es wird ihm immer deutlicher, dass Gott uns nicht helfen kann, sondern dass wir ihm helfen müssen, und dadurch helfen wir uns letzten Endes selbst. Es ist das Einzige, auf das es ankommt, ein Stück von Gott in uns selbst zu retten. Vielleicht können wir mithelfen, Gott in den gequälten Herzen der anderen Menschen auferstehen zu lassen. An den Umständen scheint Gott nicht viel ändern zu können, sie gehören nun mal zu diesem Leben. Der Sprecher fordert keine Rechenschaft von Gott, sondern wir werden später zur Rechenschaft gezogen. Mit fast jedem Herzschlag wird ihm klar, dass wir Gott helfen und seinen Wohnsitz in unserem Inneren bis zum letzten verteidigen müssen. Es gibt Leute, die im letzten Augenblick ihren Staubsauger und ihr silbernes Besteck in Sicherheit bringen, statt Gott zu bewahren. Es gibt Menschen, die nur ihren Körper retten wollen, der jedoch nichts anderes mehr ist als eine Behausung für tausend Ängste und Verbitterung. Sie vergessen, dass man in niemandes Klauen ist, wenn man in Gottes Armen ist. Der Sprecher wird allmählich wieder ruhiger durch dieses Gespräch mit Gott und wird in der nächsten Zukunft noch sehr viele Gespräche mit ihm führen, um zu verhindern, dass er ihn verlässt.

Jasmin und innere Stärke

Der Jasmin hinter dem Haus ist jetzt ganz kahl vom Regen und den Stürmen der letzten Tage. Die weißen Blüten treiben verstreut in den schmutzigen schwarzen Pfützen auf dem niedrigen Garagendach. Aber irgendwo in dem Sprecher blüht Jasmin unaufhörlich weiter, genau so überschwänglich und zart wie immer und sein Duft verbreitet sich um Gottes Wohnsitz in seinem Inneren. Der Sprecher sorgt gut für Gott, er bringt ihm nicht nur seine Tränen und ängstlichen Vermutungen dar, sondern an diesem stürmischen grauen Sonntagmorgen sogar den Duft des Jasmins. Er wird Gott alle Blumen bringen, die er auf seinem Weg findet, und das sind immerhin eine ganze Menge.

Sehnsucht nach einer Klosterzelle

Manchmal sehnt sich der Sprecher nach einer Klosterzelle mit der sublimierten Weisheit von Jahrhunderten auf den Bücherregalen an den Wänden und mit einer Aussicht auf Kornfelder. Dort möchte er in die Jahrhunderte und in sich selbst versunken sein, und mit der Zeit würden sich dann wohl auch Ruhe und Klarheit einfinden. Aber das ist keine Kunst an diesem Ort. In dieser Welt muss er zu Klarheit und Ruhe und ins Gleichgewicht kommen. Er muss sich nicht selbst jedes Mal erneut der Realität stellen, sich auseinandersetzen mit allem, was ihm auf seinem Weg begegnet, die Außenwelt als Nahrung seiner Innenwelt aufnehmen und umgekehrt. Die Bedrohung von außen wird ständig größer, der Terror wächst mit jedem Tag. Der Sprecher zieht das Gebet wie eine dunkle schützende Wand um sich, zieht sich in das Gebet zurück wie in eine Klosterzelle und tritt dann wieder hinaus, gesammelte Stärke und wieder gefasst. Sich in die abgeschlossene Zelle des Gebietes zurückzuziehen wird für ihn immer mehr zur Realität und auch zu einer sachlichen Angelegenheit. Die innere Konzentration errichtet hohe Mauern, um nicht in denen er zu sich selbst zurückfinden, sich aus allem Verstreuten wieder zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Er könnte sich vorstellen, dass Zeiten kommen, in denen er tagelang auf den Knien liegen muss, bis er endlich fühlt, dass ihn wieder Mauern umgeben, in deren Schutz er nicht an sich selbst verzweifeln, sich nicht verlieren und zugrunde gehen kann.

Wortlosigkeit und Lebensgefühl

Wörter wie Gott und Tod und Leiden und Ewigkeit muss man wieder vergessen. Man muss wieder so einfach und wortlos werden wie das wachsende Korn oder der fehlende Regen, ausschließlich nur noch sein. Der Sprecher erinnert sich an einen Abend, an dem er früh zu Bett gegangen war und durch das große offene Fenster hinaus schaute. Ihm war wieder, als wäre das Leben mit all seinen Geheimnissen ihm sehr nahe, als könne er es berühren. Ihm war, als ruhte er an der nackten Brust des Lebens und hörte seinen leisen regelmäßigen Herzschlag. Er lag in den nackten Armen des Lebens und fühlte sich sicher und beschützt. Er dachte, wie sonderbar das doch ist. Es ist Krieg, es gibt Konzentrationslager. Er weiß das alles und behält jedes Stückchen Wirklichkeit im Auge, das zu ihm dringt. Dennoch legt er in einem unbewachten, sich selbst überlassenen Augenblick an der nackten Brust des Lebens, und seine Arme legen sich weich und geschützt um ihn, und sein Herz klopfen kann er gar nicht schildern. Es ist so langsam und regelmäßig und leise, fast gedämpft, aber auch treu, als wollte es nie aufhören, doch so gut und so warmherzig. Das ist nun einmal sein Lebensgefühl, und er glaubt nicht, dass ein Krieg oder irgendwelche sinnlosen menschlichen Grausamkeiten etwas daran zu ändern vermögen.

Klarheit und Widersprüche

Oft wird man durch die Stadt, ihre Ereignisse in seiner Umgebung so abgelenkt, dass man später mühsam den Weg zu sich selbst zurückfindet. Doch das ist nötig, man darf sich nicht in den Dingen um sich herum verlieren. Das Geschehen muss in Klarheit erlangen, man darf nicht in den Dingen untergehen. Ein Gedicht von Rilke ist ebenso reell und wichtig wie ein junger Mann, der aus einem Flugzeug stürzt. Alles das gibt es nun einmal in dieser Welt, und man darf nicht das eine um des anderen willen verleugnen. Der Sprecher soll jetzt schlafen gehen, die vielen Widersprüche muss er akzeptieren. Er möchte zwar alles zu einem Ganzen zusammenschmelzen und auf die eine oder andere Weise in seinem Geist vereinfachen, weil für ihn das Leben dadurch einfacher würde, aber das Leben besteht nun einmal aus Widersprüchlichkeiten, die alle zum Leben gehören und als solche akzeptiert werden müssen, wobei man dem einen nicht auf Kosten eines anderen einen höheren Wert beimessen darf. Er soll einfach alles laufen lassen, vielleicht wird doch noch ein Ganzes draus. Er soll schlafengehen, anstatt Dinge aufzuschreiben, die er noch gar nicht formulieren kann.

Allein und doch zu zweit

Draußen hinter den Abteilfenstern stieg die Nacht still, weit und majestätisch auf. Drinnen im Müllzug saßen viele Arbeiter dichtgedrängt, wirklich voller Leben. Der Sprecher drückte sich in seine dämmrige Ecke, schaute mit dem rechten Auge in die stille Natur hinaus und mit dem linken beobachtete er die ausdrucksvollen Köpfe und die lebhaften Gebärden der Menschen. Er fand alles gut, das Leben und die Menschen. Auf dem langen Weg von der Angst der Station durch die fast dunkle, die verzauberte Stadt hatte er plötzlich das Gefühl, als sei er nicht allein, sondern zu zweit. Er war allein, und doch war ihm, als bestünde er aus zwei Personen, die sich im Miteinander schminken und sich wohltuend lernten, sehr engem Kontakt mit sich selbst und dadurch große Wärme in sich. Völliges Selbstgenügen dabei. Er unterhielt sich angeregt mit sich selbst und spazierte vergnügt die Angst der entlang, ganz nicht versunken und mit einer gewissen Genugtuung stellte er fest, dass er allein mit sich selbst in guter Gesellschaft ist und sehr gut mit sich auskommt. Auch am nächsten Tag blieb das Gefühl bestehen, und als er durch den schönen Stadtteil Süd ging, kam er sich vor wie ein alter von einer Wolke umgebener Jude. Das Bild muss irgendwo in der Mythologie vorkommen, ein wandernder Jude umgeben von einer Wolke. Es war die Wolke seiner eigenen Gefühle und Gedanken, die ihn einhüllte und begleitete, und er fühlte sich in der Wolke so warm und beschlossen und sicher.

Innerer Frieden und Glaube

Den größten Raubbau an uns treiben wir selbst. Der Sprecher findet das Leben schön und fühlt sich frei. Der Himmel ist in ihm ebenso weit gespannt wie über ihm. Er glaubt an Gott und er glaubt an die Menschen, das sagt er ohne falsche Scham zu sagen. Das Leben ist schwer, aber das ist nicht schlimm. Man muss beginnen, sich selbst ernst zu nehmen, und das Übrige kommt von selbst. Der Frieden kann nur dann zum echten Frieden werden, irgendwann später, wenn jedes Individuum den Frieden in sich selbst findet und den Hass gegen die Mitmenschen, gleich welcher Rasse oder welchem Volk, in sich ausrottet, besiegt und so etwas verwandelt, was kein Essen lässt, sondern auf weite Sicht vielleicht sogar zur Liebe werden könnte. Aber das ist vermutlich zu viel gefordert, und doch ist es die einzige Lösung. So könnte er weitermachen, viele Seiten lang. Das Stückchen Ewigkeit, dass man in sich trägt, kann man ebenso in einem einzigen Wort ausdrücken wie in zehn dicken Wänden abhandeln. Er ist ein glücklicher Mensch und preist dieses Leben im Jahre des Herrn 1942, dem soundsovielten Kriegsjahr.

Veränderungen im Lebensgefühl

Es gibt Formen, Augenblicke, in denen man glaubt, nicht mehr weiter zu können. Aber es geht immer weiter, wie man allmählich nun schon weiß. Aber die Landschaft ringsherum erscheint plötzlich verändert, der Himmel hängt tief und schwarz, im Lebensgefühl finden große Verschiebungen statt, und das Herz ist ganz grau und 1000 Jahre alt. Aber es ist nicht immer so. Der Mensch ist etwas Seltsames. Das Elend, das hier herrscht, ist wirklich unbeschreiblich. Sie hausen in den großen Brocken wie Ratten in einem Abwasserkanal. Dennoch läuft der Sprecher oft im späten Abend, wenn der Tag hinter ihm in die Tiefe versunken ist, mit federnden Schritten am Stacheldraht entlang, und dann quillt es ihm immer wieder aus dem Herzen, ruft er, ich kann nichts dafür. Es ist nun einmal so, es ist von elementarer Gewalt, das Leben ist etwas Herrliches und Großes. Wir müssen später eine ganz neue Welt aufbauen, und jedem weiteren Verbrechen, jeder weiteren Grausamkeit müssen wir ein weiteres Stückchen Liebe und Güte gegenüberstellen, dass wir in uns selbst erobern müssen.

Ein starkes Ganzes

Das Leben und das Sterben, das Leid und die Freude, die Blase an den abgelaufenen Füßen und der Jasmin hinterm Haus, die Verfolgung, die zahllosen Grausamkeiten, all das ist in dem Sprecher wie ein einziges starkes Ganzes, und er nimmt alles als ein Ganzes hin und beginnt immer mehr zu begreifen, nur für sich selbst, ohne es bisher niemand erklären zu können, wie alles zusammenhängt. Er möchte lange lieben, um es später doch noch einmal erklären zu können. Und wenn ihm das nicht vergönnt ist, nun, dann wird ein anderer sein Leben von dort an weiterleben, wo das seine unterbrochen wurde, und deshalb muss er jetzt so gut und so überzeugend wie möglich weiterleben bis zum letzten Atemzug, so dass derjenige, der nach ihm kommt, nicht ganz von neuem anfangen muss und dass nicht mehr so schwer hat. Tut man damit nicht auch etwas für die nachkommenden Geschlechter?

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